Vermögensverwaltung
Eine Vermögensverwaltung liegt vor, wenn der gesetzliche Vertreter den Wertpapierdienstleister bevollmächtigt, das Mündelgeld auf Einzelkundenbasis mit einem Ermessensspielraum zu verwalten.[116] Der dafür vom gesetzlichen Vertreter mit dem Wertpapierdienstleister abzuschließende Vermögensverwaltungsvertrag bedarf der Schriftform und einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht.[117] Zur Beurteilung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der in dem Vertrag enthaltenen Anlageziele und Veranlagungsgrenzen zieht das Gericht einen Sachverständigen bei.[118]
Vermögensverwaltung: Vorteile gegenüber Anlageberatung
Eine Vermögensverwaltung bietet dem Mündel den höchstmöglichen Schutz des Wertpapieraufsichtsrechts und hat gegenüber einer Anlageberatung folgende Vorteile:
- Bei der Vermögensverwaltung besteht ein gesetzliches Provisionsverbot, d.h. Wertpapierdienstleister dürfen von Dritten erhaltene Provisionen bei der Vermögensverwaltung nicht annehmen und behalten, sondern müssen allenfalls erhaltene Provisionen an den Anleger weiterleiten.
- Das Entgelt für die Vermögensverwaltung ist nicht eine von Produktgebern bezahlte Provision, sondern ein direkt vom Anleger bezahltes Honorar, wodurch im Gegensatz zur Anlageberatung kein Potential für Interessenkonflikte besteht. Ferner schafft der Wegfall von Provisionen nicht nur höhere Kostentransparenz, sondern im Ergebnis auch eine geringere Kostenbelastung als bei der Anlageberatung.
- Während Beratungsverträge in Filialbanken in der Regel nur konkludent abgeschlossen werden, erfordert die Vermögensverwaltung einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag, in dem die Rechte und Pflichten des Anlegers und des Wertpapierdienstleisters dokumentiert sind. Es besteht daher bei der Vermögensverwaltung für das Mündel höhere Rechtssicherheit als bei der Anlageberatung.
- Durch den Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags überträgt der gesetzliche Vertreter die Verpflichtung zu einer Umschichtung gemäß § 220 Abs 2 ABGB auf den Wertpapierdienstleister.
- Wertpapierdienstleister haben bei der Vermögensverwaltung nicht nur einmalig zu Beginn, sondern periodisch – d.h. in regelmäßig wiederkehrenden Abständen – Eignungstests durchzuführen und dem Kunden darüber schriftliche Eignungsberichte zu übermitteln.[119]
Einige österreichische Wertpapierdienstleister bieten eine automatisierte Form der Vermögensverwaltung an, bei der die Interaktion mit dem Kunden ausschließlich über Internet und Telefon erfolgt und das Anlageuniversum auf börsengehandelte Indexfonds (sog. Exchange Traded Funds, kurz ETF) beschränkt ist. Dieses Geschäftsmodel hat für schutzberechtigte Personen und ihre gesetzlichen Vertreter folgende Vorteile:
- Professionelle Vermögensverwaltung auch für geringe Anlagebeträge.
- Rechtssicherheit durch Eignungsprüfung mit moderner Software.
- Geringe Kosten durch Automatisierung des Anlageprozesses und Investition in Indexfonds.
- Hoher Diversifikationsgrad trägt dem gesetzlichen Gebot der Sicherheit Rechnung.
Der Autor weist darauf hin, dass er mit Anbietern automatisierter Vermögensverwaltung in keiner Vertragsbeziehung steht und von solchen keine Provisionen oder sonstige Zuwendungen erhält.
Implementierung einer automatisierten Vermögensverwaltung für Mündelgeld:
In diesem Abschnitt werden exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit die einzelnen Schritte beschrieben, die zur Anlegung von Mündelgeld in eine automatisierte Vermögensverwaltung erforderlich sind. Der Autor empfiehlt gesetzlichen Vertretern, den von ihnen präferierten Anbieter automatisierte Vermögensverwaltung vor Beginn des Anmeldeprozesses zu kontaktieren, um Detailfragen zu erörtern und bei Bedarf telefonische Unterstützung zu erhalten. Der Autor weist ferner darauf hin, dass er mit Anbietern automatisierter Vermögensverwaltung in keiner Vertragsbeziehung steht und von solchen keine Provisionen oder sonstige Zuwendungen erhält.
- Bei der Anmeldung für eine automatisierte Vermögensverwaltung werden in der Regel zunächst online die Stammdaten der vertretenen Person eingegeben:
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- Persönliche Daten der vertretenen Person (Name, Geburtsdatum, Adresse usw.)
- Referenzkontonummer der vertretenen Person, d.h. Nummer jenes Kontos, auf das Auszahlungen erfolgen sollen.
- E-Mail-Adresse und Telefonnummer des gesetzlichen Vertreters für dessen Zugang zum Wertpapierdepot. Wenn ein gesetzlicher Vertreter mehrere Personen vertritt, ist für jede dieser Personen eine eigene E-Mail-Adresse erforderlich; die Telefonnummer kann hingegen gleich bleiben.
- Der Vermögensverwalter fragt danach jene Informationen ab, die zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Eignungsprüfung erforderlich sind, d.h. Informationen über die finanziellen Verhältnisse und Anlageziele der vertretenen Person sowie über die Kenntnisse und Erfahrungen des gesetzlichen Vertreters im Anlagebereich. Anhand dieser Informationen werden die Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit der vertretenen Person ermittelt und wird dem gesetzlichen Vertreter ein konkreter Anlagevorschlag unterbreitet.
- Die automatisierte Vermögensverwaltung erstellt sodann die zur Implementierung des Anlagevorschlags erforderlichen Verträge, d.h.
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- den Vermögensverwaltungsvertrag und
- den Vertrag zur Eröffnung des Wertpapierdepots und des Verrechnungskontos.
Diese Verträge bedürfen einer gerichtlichen Genehmigung. Dem entsprechenden Antrag an das Pflegschaftsgericht sollte neben den beiden Verträgen auch der Anlagevorschlag und eine Liste der in diesem Vorschlag enthaltenen Fonds beigelegt werden. Wenn die Verträge vom Pflegschaftsgericht genehmigt werden, kann sie der gesetzliche Vertreter unterzeichnen und dem Vermögensverwalter übermitteln.
Hoffentlich erwies sich der Inhalt dieser Seite für Sie als nützlich und beantwortete möglichst viele Ihrer Fragen. Wenn Sie weitere Fragen über die Anlegung von Mündelgeld haben, steht Ihnen der Autor Mag. Alexander Giuliani dafür als Sachverständiger und unabhängiger Vermögensberater zur Verfügung.
[116] § 1 Z 3 lit d) WAG.
[117] § 59 WAG iVm Art 58 DelVO 2017/565; § 167 Abs 3 ABGB.
[118] § 132 Abs 2 AußStrG.
[119] § 60 Abs 4 WAG.