Was ist unter Sicherheit zu verstehen?

Der Gesetzgeber bedient sich zur Normierung der Mündelgeldanlage an mehreren Stellen des Begriffs der Sicherheit:

  • Mündelgeld ist gemäß § 215 Abs 1 ABGB sicher und möglichst fruchtbringend anzulegen.
  • Anlageformen gemäß § 220 ABGB sind dann zur Mündelgeldanlage geeignet, wenn sie den Grundsätzen einer sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprechen.
  • Das Pflegschaftsgericht hat zur Beurteilung der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit genehmigungspflichtiger Anlageformen einen Sachverständigen[1]

Auslegung von Sicherheit:

In Ermangelung einer Legaldefinition bedürfen die Worte Sicherheit bzw. sicher für die Gesetzesanwendung einer Interpretation. Laut Deutschem Wörterbuch Duden hat das Wort „sicher“ die Bedeutungen „gefahrlos, von keiner Gefahr bedroht“ und „geschützt“. Eine Auslegung im Sinne von „gefahrlos“ scheidet allerdings aus, da ein gefahrloses – d.h. risikoloses – Investieren grundsätzlich nicht möglich ist; dies läßt sich exemplarisch anhand der genehmigungsfreien Anlageformen beobachten:

  • Die Realverzinsung von Spareinlagen war in Österreich meist negativ und erreichte zu Beginn des Jahres 2023 sogar -10 %. Spareinlagen sind also u.a. Inflationsrisiko ausgesetzt und daher keineswegs risikolos.
  • Bundesanleihen sind nicht nur mit Inflationsrisiko, sondern auch mit erheblichem Zinsrisiko behaftet; im Jahr 2023 betrug ihre Wertentwicklung nominell -20 % und real -26 %. Offensichtlich sind Bundesanleihen also auch nicht risikolos.

Das Wort sicher wird folglich im Ergebnis einer grammatischen Interpretation mit der Bedeutung „geschützt“ auszulegen sein.

Sicherheit erfordert Maßnahmen zum Schutz gegen realen Wertverlust.

Der Zweck des Schutzes von Vermögen besteht offensichtlich darin, einen Wertverlust zu vermeiden. Wie im Abschnitt über Rendite ausführlich begründet wird, hat die Beurteilung eines Wertverlusts stets anhand von Realrenditen bzw. Realwerten zu erfolgen. Das gesetzliche Gebot der Sicherheit hat folglich die Bedeutung, daß Mündelgeld vor einem realen Wertverlust zu schützen ist. Aufgrund des gesetzlichen Gebots der Sicherheit bestehen demnach für den gesetzlichen Vertreter zum Schutz gegen eine reale Entwertung des Mündelgelds folgende Verpflichtungen:

  1. Mündelgeld ist zum Schutz gegen Inflationsrisiko auch in Anlageformen gemäß § 220 ABGB zu investieren, die über Potential zur Erzielung positiver Realrenditen verfügen.
  2. Mündelgeld ist zum Schutz gegen Liquiditätsrisiko nicht ausschließlich in AIternative Investmentfonds wie z.B. in Immobilienfonds anzulegen.
  3. Mündelgeld ist zum Schutz gegen die Volatilität der Aktien-, Zins- und Währungsmärkte in mehrere Anlageformen zu investieren, zwischen denen jeweils geringe Korrelation besteht. Dadurch werden die Wertschwankungen reduziert, welchen das Mündelvermögen durch die Volatilität der Kapitalmärkte naturgemäß ausgesetzt ist.
  4. Mündelgeld ist zum Schutz gegen firmenspezifisches Risiko vollständig zu diversifizieren, d.h. eine Investition in Aktien u. Unternehmensanleihen hat durch breite Streuung auf zahlreiche Emittenten aus verschiedenen Branchen zu erfolgen. Dadurch wird Mündelgeld vor dem Risiko der Abwertung einzelner Unternehmen – etwa wegen Insolvenzrisikos durch Produkthaftungsklagen – geschützt.

Ab € 100.000: Investition in mehrere Anlageformen obligatorisch!

Die oben in (1), (3) und (4) zum Schutz von Mündelgeld genannten Maßnahmen erfordern bzw. unterstellen zumindest teilweise die Investition in Anlageformen gemäß § 220 ABGB. Gemäß § 215 Abs 2 ABGB ist Mündelgeld bei wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit in mehrere Anlageformen zu investieren, d.h. auch in Anlageformen gemäß § 220. Wie im Abschnitt über Diversifikation ausführlich begründet wird, ist die von § 215 Abs 2 ABGB vorausgesetzte wirtschaftliche Zweckmäßigkeit – ohne Berücksichtigung von Verfahrenskosten – stets gegeben. Eine Investition in Anlageformen gemäß § 220 bedarf allerdings einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und ist daher mit zusätzlichen Verfahrenskosten verbunden, die sich nach Auffassung des Autors erst ab einem Betrag von rund € 100.000 lohnen; das Gebot der Investition in mehrere Anlageformen gemäß § 215 Abs 2 ABGB wird daher vernünftigerweise erst ab dieser Betragsgrenze gelten. Mündelgeld sollte folglich ab einem Betrag von rund € 100.000 jedenfalls auch in Anlageformen gemäß § 220 investiert werden.

Hoffentlich erwies sich der Inhalt dieser Seite für Sie als nützlich und beantwortete möglichst viele Ihrer Fragen. Wenn Sie weitere Fragen über die Anlegung von Mündelgeld haben, steht Ihnen der Autor Mag. Alexander Giuliani dafür als Sachverständiger und unabhängiger Vermögensberater zur Verfügung.

[1] § 132 Abs 2 AußStrG.