Ausführungsgeschäfte
Was gesetzliche Vertreter wissen sollten:
- Ausführungsgeschäfte sind Leistungen, deren Zweck darin besteht, daß Wertpapierdienstleister ihren Kunden die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten ermöglichen. Bei Ausführungsgeschäften sind die Schutzpflichten der Wertpapierdienstleister gegenüber ihren Kunden insofern herabgesetzt, als sie anstatt einer Eignungsprüfung nur eine sog. Angemessenheitsprüfung durchzuführen haben.
- Filialbanken verrechnen für beratungsfreie Ausführungsgeschäfte ebenso hohe Provisionen wie für Ausführungsgeschäfte mit Anlageberatung. Gesetzliche Vertreter sollten reine Ausführungsgeschäfte daher zu wesentlich besseren Konditionen bei Direktbanken abschließen. Mit einer Filialbank sollten Ausführungsgeschäfte hingegen nur dann geschlossen werden, wenn der gesetzliche Vertreter eine Anlageberatung erhalten möchte und eine solche von dieser Filialbank auch tatsächlich erhalten hat.
Zu den Ausführungsgeschäften zählen neben der Anlage- und Abschlussvermittlung das Kommissionsgeschäft und der Eigenhandel. Die Ausführung eines Kundenauftrags erfordert in der Regel eine Aneinanderreihung von mehreren dieser Rechtsgeschäfte:
- Anlagevermittlung ist die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten.[57] Ein Anlagevermittler nimmt vom Anleger Aufträge zur Anschaffung oder Veräußerung eines Finanzinstruments entgegen und übermittelt sie an dessen konto- und/oder depotführendes Kreditinstitut.
- Abschlußvermittlung ist hingegen die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen und auf fremde Rechnung; sie erfordert daher eine entsprechende Vollmacht, die der Anleger dem Vermittler bei seinem konto- und/oder depotführenden Kreditinstitut erteilt. Aufgrund dieser Vollmacht kann der Abschlußvermittler dem Kreditinstitut im Namen des Anlegers den Auftrag erteilen, Finanzinstrumente auf Rechnung des Anlegers zu erwerben oder zu veräußern.[58]
- Ein Wertpapierdienstleister kann einem Kunden die Verfügung über ein Finanzinstrument entweder durch ein Kommissionsgeschäft oder durch Eigenhandel verschaffen. Bei einem Kommissionsgeschäft handelt der Wertpapierdienstleister im eigenen Namen und auf Rechnung des Kunden, bei Eigenhandel hingegen auf eigene Rechnung, d.h. bei Eigenhandel schließt er den Kaufvertrag unmittelbar mit dem Kunden ab.[59]
Anlegerschutz bei Ausführungsgeschäft geringer als bei Beratung oder Vermögensverwaltung.
Wenn der Wertpapierdienstleister eine bloße Ausführungsleistung erbringt, sind seine Schutzpflichten insofern herabgesetzt, als er anstatt einer Eignungsprüfung nur eine sogenannte Angemessenheitsprüfung durchzuführen hat.[60] Für diese Prüfung ersucht der Wertpapierdienstleister den gesetzlichen Vertreter zunächst in Bezug auf den speziellen Typ der angebotenen oder von ihm gewünschten Produkte um Angaben zu seinen Kenntnissen und Erfahrungen im Anlagebereich. Im nächsten Schritt beurteilt der Wertpapierdienstleister anhand dieser Informationen, ob das gegenständlichen Produkt für das Mündel insofern angemessen ist, als der gesetzliche Vertreter in der Lage ist, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen. Sollte diese Beurteilung negativ ausfallen, trifft den Wertpapierdienstleister gegenüber dem gesetzlichen Vertreter eine Warnpflicht.[61]
Für die Verpflichtung zur Durchführung einer Angemessenheitsprüfung besteht eine für die Praxis der Mündelgeldanlage bedeutende Ausnahme. Die Angemessenheitsprüfung kann nämlich dann unterbleiben, wenn das Ausführungsgeschäft
- nicht-komplexe Finanzinstrumente zum Gegenstand hat,
- auf Veranlassung des gesetzlichen Vertreters erbracht wird und
- der gesetzliche Vertreter eindeutig darauf hingewiesen wird, daß keine Angemessenheitsprüfung vorgenommen wird und daher kein Anlegerschutz durch das WAG besteht.
Die in genehmigungsfreien Anlageformen enthaltenen Finanzinstrumente sind nicht komplex. Folglich können Wertpapierdienstleister bei Ausführungsgeschäften über genehmigungsfreie Anlageformen bei Vorliegen der sonstigen vorgenannten Voraussetzungen die Angemessenheitsprüfung unterlassen.[63]
Beratungsfreies Ausführungsgeschäft bei Filialbank: Gleiche Provision wie für Beratung!
Entgelt für das Ausführungsgeschäfte ist eine Provision, die dem Anleger vom Produktgeber – d.h. vom Emittenten oder Anbieter des Finanzinstruments – verrechnet wird. Da die Provisionen von Produktgebern für das Ausführungsgeschäft und nicht für Beratung bezahlt werden, erhalten Wertpapierdienstleister für ein Ausführungsgeschäft ohne Anlageberatung ebenso hohe Provisionen wie für ein Ausführungsgeschäft mit Anlageberatung. Das Provisionssystem schafft somit für Wertpapierdienstleister den Anreiz, die Erbringung von Anlageberatung zu vermeiden und stattdessen den Abschluss beratungsfreier Vermittlungsgeschäfte zu forcieren. Die Europäische Kommission hat folglich bereits legistische Maßnahmen angekündigt, um beratungsfreie Vermittlungsleistungen künftig mit einem Provisionsverbot zu belegen.[62]
Praxistipp
Der Autor empfiehlt gesetzlichen Vertretern vor diesem Hintergrund, beratungsfreie Ausführungsgeschäfte nur mit Direktbanken abzuschließen, die dafür einen Bruchteil der Provisionen von Filialbanken verrechnen. Ausführungsgeschäfte sollten mit Filialbanken nur dann abgeschlossen werden, wenn der gesetzliche Vertreter von dieser Filialbank eine Anlageberatung erhalten möchte und eine solche Beratung auch tatsächlich erhalten hat.
Hoffentlich erwies sich der Inhalt dieser Seite für Sie als nützlich und beantwortete möglichst viele Ihrer Fragen. Wenn Sie weitere Fragen über die Anlegung von Mündelgeld haben, steht Ihnen der Autor Mag. Alexander Giuliani dafür als Sachverständiger und unabhängiger Vermögensberater zur Verfügung.
[57] § 1 Z 3 lit a) WAG.
[58] § 1 Z 3 lit b) WAG; § 1 Abs 1 Z 7 BWG.
[59] § 1 Z 3 lit c) WAG; § 1 Abs 1 Z 7 BWG.
[60] § 57 Abs 1 WAG.
[61] § 57 Abs 2 WAG.
[62] Das beratungsfreie Geschäft ohne Angemessenheitsprüfung wird in der Literatur meist als „execution-only“ oder als „reines Ausführungsgeschäft“ bezeichnet.
[63] Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Mai 2023 zur Änderung von Richtlinien in Hinblick auf die Unionsvorschriften zum Schutz von Kleinanlegern, sog. EU Retail Investment Strategy.